“Dann legte Gott der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gott, der Herr, ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert; dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen.
Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte.” Genesis ,2
1. Der Paradiesgarten und der “umgertete Raum”
Zahlreiche Schöpfungsmythen beginnen mit ihm dem Garten oder besser dem Paradiesgarten. Seit seiner Vertreibung daraus ist der Mensch gewissermaßen auf der Suche nach diesem Ort des Heils, der Nahrung und Geborgenheit. Bis ins 15. Jahrhundert hinein war man überzeugt, dass es diesen Paradiesgarten auf Erden gibt. Tatsächlich ist die Menschheitsentwicklung untrennbar mit der Seßhaftwerdung und der Gartenkultur verbunden. Fast könnte man sagen der Garten ist die Bemühung des Menschen, sein Paradies zu schaffen, einen von den Unbilden der Natur abgeschirmten Raum.
Die Gerten, also die Ruten, die zum Flechten eines Zaunes verwendet wurden, gaben dem Garten seinen Namen. Gartenfrüchte sind wertvoller und bedürfen einer umsichtigeren Betreuung. “Der Garten will jeden Tag seinen Herrn sehen”, hieß es einst.
Natürlich brauchte dieser „umgertete“ Raum auch heiligen Schutz, am besten gleich jemanden dessen Namen sogar symbolisch darauf verweist.
“Gertraud – führt die Kuh zum Kraut –
das Roß zum Zug – die Bienen zum Flug.”
Die hl. Gertrudis wurde als eine der wichtigsten Heiligen der frühen Kirche nördlich der Alpen hoch verehrt. Sie galt als beliebteste Botin des Frühlings, nicht selten wurde sie als Sonnenbraut und erste Gärtnerin bezeichnet. Die hl. Gertrud wurde um 625 geboren. Sie war eine Tochter des Merowinger Pippin des Älteren, also dem Stammvater der Karolinger. Gertrud war Äbtissin des Klosters Nivelles im belgischen Brabant. Es heißt, sie besaß eine hervorragende Kenntnis der heiligen Schrift. Sie setzte sich besonders für die Gartenkultur, die Weberei und die Betreuung von Pilgern ein. Schon bald nach ihrem Tod, sie starb mit nur 33 Jahren, wurde sie als Patronin der Gärtner auserkoren.
2. Die mittelalterlichen Klostergärten
Vor allem die Benediktinermönche waren es, die neben der Kunst und Wissenschaft auch die ersten Zentren der Gartenkultur des frühen Mittelalters darstellten. Durch ihr umspannendes Netz an Klöstern brachten sie auch so manche Pflanzenneuheit in die entlegensten Winkel ihres Missionsgebietes. Die Pflanzen und die Kenntnis über die Anzucht von Blumen, von Heil- und Gewürzkräutern, Gemüse und Obstbäumen wanderte aus den Klostergärten in die Herrenhöfe, Burggärten und schließlich in die Bauerngärten.
Das früheste Zeugnis der nachantiken Gartenkultur diesseits der Alpen ist das sog. “Capitulare de villis vel curtis imperii”. 812 n.Chr. verfasste der Benediktinerabt Ansegis auf Anordnung Karls des Großen diese Landgüterverordnung. In ihr wurde genauest aufgeführt, wie die Krongüter Karls des Großen verwaltet werden mussten. Darin enthalten sind Regeln für den ländlichen Betrieb auf den kaiserlichen Gütern, wie die Dreifelderwirtschaft, der Weinbau, die Obstpflege, sowie die Zucht von Haus- und Herdvieh. Im letzen Kapitel werden schließlich alle Pflanzen aufgelistet, welche in den kaiserlichen Gärten vorhanden sein mussten. Dabei finden sich 73 Nutzpflanzen – Gemüse, Gewürz- und Heilkräuter sowie 14 Baumarten. Aus den aufgeführten Pflanzen wird der starke Einfluß aus dem Mittelmeerraum und somit aus der antiken Gartenkultur deutlich. So finden sich darin z.B. Anis, Dill, Fenchel, Koriander, Kerbel, Mangold, Rosmarin und sogar die Artischocke.
3. Barocke “Lustgärten” und Englische Landschaftsparks
Als Ausdruck eines wiedergewonnen Lebensgefühls begann sich von Italien aus ein neuer Stil in allen künstlerischen Gestaltungsbereichen zu verbreiten. Die Renaissance führte die Menschen zur Wiederentdeckung der Individualität und öffnete den Blick in die Landschaft, nicht nur in der Malerei, sondern auch in der Gartenkunst. Durchzogen von symmetrischen Achsen und geometrischen Formen waren die Renaissancegärten von strengen linearen Gestaltungsprinzipien bestimmt. Die Barocken “Lustgärten” behielten das formale Prinzip bei, doch kamen spielerische Elemente hinzu. Ob Wasserspiele, Labyrinthe, Grotten, Orangerien, Volieren oder Pavillons – die barocken Gartenanlagen waren ein bedeutendes Ausdrucksmittel dieses theatralisch-verspielten Zeitalters.
Ganz anders verhielt es sich in England. Dort hatte sich die machtvolle absolutistische Staatsform nicht vollends durchsetzen können. Innerhalb des eigenständigen Bildungsbürgertums und des freien Adels war der englische Landschaftspark ein Ausdruck für den freien Geist und kann tatsächlich auch als Kritik an der herrschaftsbewussten Geometrie des absolutistischen Gartenstils betrachtet werden. Doch sind die Ursprünge dieser Anlagen weitaus vielschichtiger. Weitere Einflüsse brachten die Handelsreisenden aus Asien mit und später kamen auch noch romantisch-naturverherrlichende Elemente hinzu.
4. Der Garten im Wandel der Zeit
In den vergangenen sechzig Jahren wandelten sich die Bedürfnisse der breiten Bevölkerung an den Garten erheblich. Während des zweiten Weltkriegs und in den Nachkriegsjahren betrachtete man den Garten zur Selbstversorgung an Obst und Gemüse. Doch mit Einsetzen des Wirtschaftswunders und der damit gesicherten Nahrungsmittelgrundlage verschwanden die Obst- und Gemüsegärten zunehmend. Schließlich wurde der Nutzgarten ab den 60iger Jahren weitestgehend durch den pflegeleichten Garten abgelöst. Funktionalität und Nüchternheit hielten Einzug innerhalb eines möglichst konstanten Gartenbildes. Eine Wegeführung aus Waschbetonplatten und eine Abgrenzung aus Jägerzaun rundeten diese Rasen- und Koniferengärten ab. Als wichtigster technischer Gartenhelfer stand ab sofort der Rasenmäher zur Seite. Einfamilienhäuser wurden gebaut und die Arbeitszeit verringerte sich. Der Garten wurde so immer mehr zum Maß für den erlangten Wohlstand. Luxuriöse Terrassen mit offenem Kamin, Gartenmöbel und bisweilen kleine Swimmingpools bestimmten die Gärten der 70iger Jahre. Dabei galt ein möglichst fertiges Gartenbild als Spiegel für die funktionierende, saubere Wohnumwelt zu schaffen.
Doch das Schönheitsempfinden wandelte sich in den 80igern. “Wildnis” wurde zum positiven Begriff und Natürlichkeit galt als ästhetisches Ausdrucksmittel. Der eigene Garten wurde als Ort der Naturerfahrung und Naturwahrnehmung entdeckt. Durch die Anlage von Teichen und Biotopen wurden Lebensräume für Fauna und Flora geschaffen. Zugleich drückten diese “Ideallandschaften” die breite Sehnsucht nach Einklang und Harmonie in einer zunehmend bedrohten Umwelt aus.
Eine Art Renaissance erlebte in den 90iger Jahren der Nutzgarten. Im Vordergrund stand dabei allerdings nicht die Selbstversorgung, sondern der Anbau von gesunden Lebensmitteln. Die Verwendung von Küchenkräutern wurde wiederentdeckt und löste einen regelrechten Kräuterboom aus. Kräuterspiralen, niedrig wachsende Obsthecken, Hügel- und Hochbeete waren Gestaltungsformen innerhalb dieser neuen Nutzgärten. Der Bauerngarten wurde zu einem klassischen Symbol dieser Sehnsucht nach einem Ort der gesunden Nahrung und der Überschaubarkeit.
In jüngster Zeit erlebt der Gartenraum eine Neubelebung hinsichtlich seines therapeutischen Wertes. Das Gärtnern und die Begegnung mit der Natur wirkt besonders heilsam auf die seelische Stabilität des Menschen. Auch die “spirituellen” Gärten erfreuen sich großer Beliebtheit. Sie stehen als Ort der Stille, der Begegnung und der Heilung. Abendländische Klostergärten sind dabei genauso gefragt wie die Gestaltung des eigenen Gartens nach Prinzipien des Feng Shui. Die “Wellnessbewegung” mit seinen speziellen Gartenanlagen schließlich spiegelt das gegenwärtige Erholungs- und Rückzugsbedürfnis wider.
So bringt jede Zeit ihre Gärten hervor, die wie ein Seelenspiegel die jeweiligen Sehnsüchte und Bedürfnisse der Menschen ausdrücken. Dabei kann jeder Garten für sich wie ein lebendiger Organismus betrachtet werden, der dem Menschen, sei es als Gärtner, Gestalter oder Betrachter, wertvolle selbstschöpferische Impulse vermittelt.